Es überrascht Sie vielleicht, aber in Ihrem Schlafzimmer könnte ein „Geschlechterkampf“ stattfinden. Abgesehen von den häufigen Beschwerden darüber, dass ein Partner ständig die Bettdecke klaut oder der andere schnarcht, gibt es statistisch bedeutsame Unterschiede im Schlafverhalten zwischen Männern und Frauen — und diese Unterschiede könnten Ihr Sexleben negativ beeinflussen.
Unterschiede im Schlafverhalten von Männern und Frauen
Schlaflosigkeit, die laut Definition durch Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten gekennzeichnet ist, kommt bei Frauen ungefähr doppelt so häufig vor wie bei Männern. Diese Unterschiede entstehen in der Pubertät, was Forscher dazu veranlasst, zu spekulieren, dass die Schlafunterschiede zwischen Männern und Frauen zumindest teilweise auf die Wirkungen von männlichen im Vergleich zu weiblichen Hormonen zurückzuführen sind. Dieses häufigere Auftreten von Schlaflosigkeit bei Frauen bleibt über ihr ganzes Leben bestehen, auch wenn die Zahlen schwanken. Im mittleren Alter leiden Frauen 40 Prozent häufiger unter Schlaflosigkeit als Männer, im Alter von 65 steigt die Zahl auf 70 Prozent.
Schlafstörungen äußern sich außerdem bei Frauen anders als bei Männern. Bei der Schlafstörung Narkolepsie zum Beispiel treten bei Frauen andere Symptome auf als bei Männern. Von Narkolepsie ist nur rund ein Prozent der Bevölkerung betroffen. Charakteristisch sind extreme Müdigkeit tagsüber, gestörte Schlaf-Wach-Rhythmen, plötzliches Einschlafen am Tag in den unpassendsten Momenten und andere Symptome. Im Gegensatz zu Männern, weisen Frauen Symptome von Narkolepsie schon in jüngeren Jahren auf, und leiden eher unter Tagesmüdigkeit als unter den anderen Symptomen der Narkolepsie.
Eine andere Schlafstörung, die sich bei Frauen anders äußert als bei Männern, ist die obstruktive Schlafapnoe. Bei dieser Schlafstörung treten währen des Schlafs multiple Atempausen auf, was unter anderem zu Schlaffragmentation, niedrigem Sauerstoffniveau im Blut, niedriger Schlafqualität, Tagesmüdigkeit und Störungen der kognitiven Fähigkeiten führen kann. Männer schnarchen häufiger infolge von Schlafapnoe als Frauen, während Frauen sich eher müde fühlen, nicht schlafen können oder aufgrund der schlechten Schlafqualität mies gelaunt sind. Laut Experten wird Schlafapnoe bei Frauen zu selten diagnostiziert, da bei ihnen die Symptome anders sind.
Abgesehen von Schlafstörungen, gibt es auch ganz harmlose Unterschiede im Schlafverhalten von Männern und Frauen. Zum Beispiel träumen Männer mehr als Frauen. Das kommt daher, dass die Körpertemperatur einer Frau in der zweiten Hälfte ihres Menstruationszyklus wegen dem höheren Progesteronspiegel steigt und deshalb die REM-Phase (jene Schlafphase, während der man träumt) kürzer wird.
Der Grund für die Unterschiede: Der circadiane Rhythmus
Die unterschiedliche Häufigkeit von Schlafstörungen bei Männern und Frauen rührt von Unterschieden im circadianen Rhythmus her. Der circadiane Rhythmus kann als eine Art innere Uhr, die vom Gehirn gesteuert wird, beschrieben werden. Wissenschaftler konnten viele Unterschiede zwischen dem circadianen Zyklus von Frauen und Männern feststellen. Zum Beispiel sind Frauen öfter Frühaufsteher, Männer eher Nachtmenschen.
Eine bahnbrechende Studie, die 2016 von der National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, untersuchte die circadianen Unterschiede eingehend. Die Forscher fanden heraus, dass Frauen, ganz im Gegensatz zu Männern, am Abend und frühen Morgen zwar weniger aufmerksam sind, dafür aber am Nachmittag aufmerksamer sind als Männer. Im Durchschnitt werden Frauen abends zwei Stunden früher müde als Männer.
Trotzdem gehen sie im Allgemeinen zur selben Zeit schlafen wie das starke Geschlecht. Das heißt, Frauen leiten den Schlaf in einer späteren circadianen Phase ein als Männer. Die Autoren der Studie glauben, dass diese circadiane Nichtübereinstimmung dazu beiträgt, dass Frauen häufiger unter Schlafstörungen leiden. Sie haben eher Probleme, nachts durchzuschlafen und wachen eher früher auf, als sie wollen. Frauen kommen schlechter mit Schichtarbeit zurecht und haben ein höheres Arbeitsunfallrisiko, wenn sie diese Art von Dienst leisten, was darauf hindeutet, dass sie anfälliger für Müdigkeit und eine Beeinträchtigung der kognitiven Funktion aufgrund von Schlafmangel sind als Männer.
Wie Schlaf mein Sexleben beeinflusst
Es ist wichtig, den circadianen Rhythmus zu verstehen, und inwieweit dieser mit Ihrem Geschlecht zusammenhängt, wenn Sie Ihren Schlaf optimieren wollen. Tipps für die Schlafhygiene und eine verbesserte Schlafqualität basieren auf der Beibehaltung eines gesunden circadianen Rhythmus. Guter Schlaf ist für viele Aspekte Ihrer Gesundheit wichtig, wohingegen Schlafentzug negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Solche sind unter anderem ein schlechteres Gedächtnis, eine niedrigere Stresstoleranz, Konzentrationsschwierigkeiten, schlechte Stimmung, Bluthochdruck und ein erhöhtes Herzinfarktrisiko.
Überraschenderweise hat die Qualität unseres Schlafs auch Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit. Das liegt daran, dass viele Dinge, die durch den Schlaf beeinflusst werden, zum Beispiel Stimmung, Stress und Hormone, Einfluss auf die Libido haben. Die Auswirkungen des Schlafs auf den Sexualtrieb wurden im Rahmen vieler Forschungen beobachtet. Eine spezielle Studie, die in der Zeitschrift Journal of Sexual Medicine veröffentlicht wurde, ergab, dass die weibliche Libido eine Steigerung von 14 Prozent erfährt, wenn die Frau nachts eine Stunde länger schläft.
Schlaf ist aber auch für die männliche Libido unerlässlich. Eine aufschlussreiche Studie zu diesem Thema wurde am Universitätsklinikum der University of Chicago durchgeführt und in der Zeitschrift Journal of the American Medical Association veröffentlicht. Diese Studie zeigte, dass Männer, die weniger als fünf Stunden pro Nacht schliefen, einen deutlich niedrigeren Testosteronspiegel hatten als jene, die die ganze Nacht durchschliefen — ein Testosteronverlust, der einer Alterung von 15 Jahren entspricht. Testosteron ist das wichtigste Hormon für den Sexualtrieb des Mannes; es hat jedoch auch Einfluss auf Muskelmasse, Knochendichte, Kraft und geistige Gesundheit.
Die Gesundheit (auch die sexuelle Gesundheit und die allgemeine sexuelle Befriedigung) von beiden Geschlechtern wird sich verbessern, wenn für ausreichend Schlaf gesorgt und der Lebensstil an den natürlichen circadianen Rhythmus angepasst wird.